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KURZKOMMENTARE

Weltwirtschaft: Ansprechende Konjunkturdaten

Die Wirtschaftsdaten weisen derzeit auf eine weitgehend stabile Konjunkturentwicklung in Europa und Asien hin. In den USA sind höchstens vereinzelt Schwächetendenzen erkennbar. Im Euroraum sind Zeichen der Stabilisierung der Industriekonjunktur positiv, wobei die Daten teilweise durch Vorauskäufe aufgrund höherer US-Importzölle ab August beeinflusst sind. Spätestens im August fallen diese Vorauskäufe weg, und der Industriesektor dürfte global eine gewisse Delle durchlaufen.

Wir erwarten ein gegenüber Anfang Jahr deutlich höheres US-Importzollniveau, was sich u.a. in den im Juli zustande gekommenen Zollabkommen der USA mit der EU und Japan zeigt (beide mit einem US-Importzollsatz von 15%). Die höheren Zölle (eine Steuer auf Importen) müssen absorbiert werden, sei dies durch Unternehmen, welche in die USA exportieren, US-Importeure und schliesslich US-Konsumenten, wenn die gestiegenen Zölle an sie überwälzt werden. Basierend auf Exportpreisindizes von US-Handelspartnern, anekdotischer Evidenz von US-Unternehmen und dem US-Konsumentenpreisindex für Güter (hier waren im Juni in Segmenten mit hohem Importanteil teilweise markant höhere Preise zu verzeichnen) zeigt sich, dass derzeit alle genannten Akteure einen Teil der erhöhten Zollbelastung mittragen.

In unserem Basisszenario sehen wir zollbedingt gewisse Störungen der wirtschaftlichen Aktivität, v.a. in den USA, aber keinen Einbruch. Während der Zolleffekt in den USA in den kommenden Monaten zu einem gewissen Verlust an Momentum führen dürfte, werden im kommenden Jahr höhere Zölle durch sinkende Steuersätze für Privatpersonen kompensiert. In den USA dürfte die rückläufige Einwanderung zu einem gewissen Verlust an Wachstum führen. Leicht positiv, v.a. für US-Konsumenten, sind die derzeit tiefen Erdölpreise.

In Europa sind die Zolleffekte geringer als in den USA, und höhere Staatsausgaben, primär in Deutschland, stützen die Wirtschaft. Chinas Regierung hält die Wirtschaft im Rahmen ihrer Ziele auf Kurs.

Mittelfristig würden wir die Auswirkungen einer teilweisen Neuordnung des Welthandels nicht überschätzen, womit sich für die kommenden Jahre keine wesentliche Neubeurteilung der globalen Wirtschaftsperspektiven aufdrängt. 

Die Gewinne der Unternehmen für das zweite Quartal liegen im Mittel über den Erwartungen in den USA, was sich in einem Aufwärtstrend der Gewinnerwartungen (12Mt.Forward in der Grafik) zeigt. In Europa sind die Erwartungen etwa erfüllt, wobei der schwache US-Dollar belastet.

Der Einfluss von US-Importzöllen wurde von vielen Unternehmen in den letzten Monaten thematisiert und scheint für die Mehrheit gut verkraftbar. Einige negative Überraschungen sind im dritten und vierten Quartal dennoch zu erwarten.

Gemäss Analystenschätzungen sind in diesem und im nächsten Jahr in Europa und den USA jeweils zweistellige Zuwachsraten bei den Unternehmensgewinnen zu erwarten. (August 2025)

 

USA: Leichte Schwächetendenzen

In den USA sind die Auswirkungen von Steuern und Staatsausgaben derzeit für die Wirtschaft relevanter als üblich. Die Belastung durch Zölle (eine Steuer auf Importen) hat für Unternehmen und private Haushalte zugenommen. Entsprechende Einmaleffekte dürften die Wirtschaft bis ins nächste Jahr hinein belasten. Ebenso dürfte die rückläufige Einwanderung zu einem gewissen Verlust an Wachstum führen. Wir sehen Risiken für die Konjunktur primär im weiteren Verlauf dieses Jahres. Im kommenden Jahr dürften Steuererleichterungen die negativen Zolleffekte allmählich etwa kompensieren.

Die Tatsache, dass die Güterpreis-Inflation, trotz Zollerhöhungen, im April und Mai wenig verändert war, relativiert derzeit die Risiken für den privaten Konsum. Eine moderat schwächere Konjunktur ist in den Arbeitsmarktdaten dennoch derzeit erkennbar. (Juli 2025)

Zollpolitik: Unreflektiert und aktionistisch pro US-Industrie

Ein zentrales und gut kommuniziertes Ziel der US-Wirtschaftspolitik ist der Ausbau der heimischen Industrie. Von den rund 160 Millionen Beschäftigten in den USA arbeiten 138 Millionen im Dienstleistungssektor (inkl. Staatsangestellte) und 22 Millionen in der Industrie (inkl. Bausektor). Der Anteil der in der Industrie Beschäftigen ist von knapp 35% im Jahr 1965 auf 14% im Jahr 2010 gesunken und seither auf diesem Niveau etwa stabil geblieben. Der Ausbau der Industrie ist selbstredend ein rückwärtsgerichtetes Anliegen, das bei wichtigen Teilen der Wählerschaft von Donald Trump aber gut ankommt.

Um den Anteil der Industrie in der US-Wirtschaft zu erhöhen, so die simple Überlegung, müssen die Güterimporte sinken und die Güterexporte steigen (der Aussenhandel mit Dienstleistungen spielt hier keine Rolle). Die Güterimporte sinken, wenn die Zölle erhöht werden, was in den USA medienwirksam, und gleichzeitig unreflektiert bezüglich der Folgen, inszeniert wurde. Als Nebeneffekt soll der Anteil der Zölle am Einnahme-Mix der US-Bundesregierung steigen. Damit US-Produkte international wettbewerbsfähiger werden, könnten Massnahmen zur Schwächung des Dollars im Raum stehen, etwa im Rahmen eines, offiziell bislang allerdings nicht bestätigten, sog. «Mar-a-Lago-Abkommens».

Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Umbau der US-Wirtschaft in Richtung eines höheren Anteils der Industrieproduktion mit Anpassungskosten und Wohlstandsverlusten für weite Teile der Bevölkerung verbunden ist. Die Produktion und die Beschäftigung im Industriesektor können allerdings nur steigen, wenn sich die Weltwirtschaft in einigermassen geordneten Bahnen entwickelt. (Mai 2025)

 

Korrektur der KI-Infrastruktur-Anbieter im Januar

Seit einigen Monaten ist es zusehendes offensichtlicher geworden, dass es Möglichkeiten gibt, LLMs (Large Language Models), die das Rückgrat von Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) bilden, mit weit weniger Ressourcen zu trainieren – insbesondere was den Einsatz von High-End-Chips betrifft – als dies dem aktuellen Standard entspricht. Im Fokus steht derzeit DeepSeek(DS), ein zwei Jahre altes Startup-Unternehmen aus China. Ihre jüngste App, die seit Januar verfügbar ist, wurde zur am häufigsten heruntergeladenen App in Apples App Store, was an die Zeit erinnert, als ChatGPTvor über zwei Jahren breit zugänglich gemacht wurde.

Es ist zwar unklar, wie hoch die genauen Trainings-Kosten von DS sind, aber es scheint, dass sie um ein Vielfaches tiefer liegen als dies bislang der Fall war. Günstigere KI-Lösungen haben viele Vorteile. Die Zahl der KI-Anwendungen und die Nachfrage steigen bei tieferen Preisen, und günstigere Produkte sind positiv für die Nutzer, d.h. Konsumenten und Unternehmen. DS ist nicht gewinnorientiert (wie dies anfänglich auch OpenAI, der Entwickler von ChatGPT, war). Der Code ist Open-Source und kann frei verwendet werden. Wenn die Preise für KI-Lösungen markant günstiger werden, ist es nicht klar, ob der Gesamtkuchen wachsen wird, es ist aber anzunehmen, ähnlich wie der Umsatz mit Computern zunahm, obwohl die Preise in den letzten Jahrzehnten gesunken sind.

Wahrscheinlich ist gleichzeitig, dass führende Technologieunternehmen die Ausgabenpläne für Rechenzentren überdenken werden, was zumindest eine Nachfragedelle – nicht unmittelbar, aber wohl im späteren Jahresverlauf – bedeutet, insbesondere für die Hersteller von KI-Chips (allen voran Nvidia, aber auch z.B. Broadcom, und der führende holländische High-End-Chip-Maschinenersteller ASML). Betroffen sind auch Cloud-Anbieter (Microsoft, Alphabet und Amazon), aber wohl in geringem Mass, Industrieunternehmen, die von KI profitieren (Bsp. Schneider Electric, Siemens und Amphenol), und sogar Elektrizitätsversorger. Umgekehrt könnten die Technologiebudgets für Digitalisierungsprojekte ausserhalb der KI wieder steigen. Am Markt geht man davon aus. So hat eine Reihe von Technologieaktien von Nicht-KI-Anbietern während des KI-Infrastruktur-Ausverkaufs zulegen können.

Da das Segment der KI-Infrastruktur-Anbieter überschaubar ist, erachten wir deren Korrektur nicht zwingend als negativ für den Gesamtmarkt. Die relative Position von Europa verbessert sich (KI-Infrastruktur-Anbieter haben ein grösseres Gewicht in US-Indizes), wobei eine Outperformance Europas nicht garantiert ist (Stichwort US-Zölle). (Februar 2025)

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